Meine Geschichte – Wie alles begann | Teil 13
Der nächste Tag brach an, jedoch bekam ich davon nicht sehr viel mit, denn ich wurde erst gegen 14 Uhr wach. Noch halb schlaftrunken schaltete ich die Klimaanlage ein. Es war heiß in meinem Zimmer. Über Nacht hatte ich nur den Decken Ventilator an gelassen, da ich bei eingeschalteter Klimaanlage nicht schlafen kann. Da sich mein Zimmer jedoch in der obersten Etage befand, hatte sich das Zimmer erheblich aufheizt. Schätze mal so zwischen 35 und 40 Grad Celsius. Also keine Gefahr für kalte Füße. Die Klimaanlage war auch bereits in die Jahre gekommen, so dass es einige Zeit dauerte, bevor eine leichte Verbesserung spürbar wurde. Dies war nicht weiter schlimm, da ich sowieso erst einmal unter die kalte Dusch ging. Frisch geduscht konnte der Tag kommen. Eigentlich war der Tag schon lange da, aber für mich war er gerade 15 Minuten alt. Während ich mich anzog, mühte sich die Klimaanlage die Raumluft auf ein erträgliches Maß herunter zu kühlen. Das gelang ihr mehr schlecht als recht. Der Kühlmittelstand war sicherlich bereits längere Zeit nicht kontrolliert worden. Das gleiche gilt für das gesamte Zimmer. Aber genau das hatte etwas. Wenn ich ein perfektes Hotel hätte haben wollen, so wäre dies auch in Kambodscha kein Problem gewesen. Auch hier gibt es genug Nobelherbergen. Allerdings wollte ich genau dieses Gefühl. Ein in die Jahre gekommenes, leicht verruchtes Hotel. Eine Umgebung die irgendwie echt ist. Nicht so wie Touristenbunker oder die Business Hotels. Diese kenne ich durch meine Geschäftsreisen zur Genüge. Prinzipiell sind die Hotels in fast jedem Land mehr oder weniger gleich. Das hier aber war anders, authentisch eben.
Dies war Teil des Abenteuers und erleichterte mir den Zugang zum realen Kambodscha, ohne durch den Luxus der besseren Hotels abgelenkt zu werden oder vielleicht auch dazu verleitet zu werden, meine Kambodscha Reise wie ein Pauschalreise Tourist zu verbringen. Wobei ich nicht verhehlen möchte, dass selbst dieses Zimmer für viele Kambodschaner der reinste Luxus gewesen wäre. Kambodschaner sind es gewohnt ihr Zimmer zu teilen. Hierbei meine ich nicht die zweibeinigen Lebewesen. Mein Gewöhnungsprozess in dieser Richtung lief gerade erst an. Als ich mich gestern ins Bett legte, sah ich links Oben an der Wand, über dem Schrank, ein großes ca. 20 cm langes rotes Insekt mit langen Fühlern. Wir machten eine Vereinbarung, das mir unbekannte Insekt und ich, dass er auf seiner Seite des Zimmers bleibt und ich auf meiner. So haben wir zusammen die Nacht verbracht. Das Rieseninsekt war am nächsten Morgen verschwunden und ich hatte meinen Gast auch nicht mehr wiedergesehen, was ich auch nicht wirklich bereut habe. Zumindest habe ich ihn nicht vermisst, bis heute nicht.
Nachdem ich einen Kassensturz gemacht hatte, stellte ich fest, dass es Zeit wurde, meine Geldbörse wieder mit Dollars zu füllen. Schuhe an und wieder hinunter durch das stickige Treppenhaus.Schlüssel an der Rezeption abgegeben und am Hoteleigenen Geldautomaten, der sich an der Außenseite des Hotels befand, den Dollarbestand wieder aufgefüllt. Für heute stand eine kleine Besichtigungstour auf dem Programm. Dieses Mal tagsüber. Die Verhandlung mit einem Tuk Tuk Fahrer für eine Tagesmiete liefen reibungslos. Das Tuk Tuk inklusiv Fahrer, den ganzen Tag für 10 Dollar. Ob ich noch zu viel bezahlt hatte wusste ich nicht, aber der Preis erschien mir mehr als angemessen und fair, wenn man davon ausgeht das es jetzt bereits 15 Uhr am Nachmittag war. Er fuhr mit mir ins Zentrum von Phnom Penh. Der Verkehr war erträglich und ich gewöhnte mich langsam an dieses scheinbar, für uns Europäer undurchschaubares Chaos auf den Straßen. Da alle so chaotisch fuhren hatte das Ganze auch ein System. Wir fuhren auf einer gut ausgebauten Straße hinunter.
In der Ferne sah ich eine Kuppel, mit einer Spitze, die ich bereits aus meinen Recherchen kannte. Das Wat Phnom. Der bekannteste Stupa von Phnom Penh. Erbaut wurde der Stupa auf einem 27 Meter hohen künstlich errichteten Hügel. 300 Meter im Durchmesser und das höchstgelegene Bauwerk in Phnom Penh. Nach der Überlieferung wurde der Bau 1372 von einer reichen Witwe Namens Daun Chi Penh beauftragt. Ihre Motivation soll ein Fund von fünf Buddha Statuen gewesen sein, vier aus Bronze, eine aus Stein, die sie in einem Koki-Baumstamm, am Fuße des Mekong, nach einer großen Flutwelle gefunden hatte. Der Hügel wurde in süd-östlicher Richtung Ihres Hauses gebaut. Der Tempel wurde aus den Baumstämmen erbaut, die die Flutwelle angespült hatte. Die Witwe gab dem Bauwerk den Namen Wat Phnom Daun Penh. Dies heißt übersetzet Tempel Hügel Daun Penh. Frei übersetzt könnte man sagen „Der Tempel auf dem Hügel“, da Phnom auf Khmer nichts anderes heißt, als Hügel. Ihr zur Ehre wurde auch eine Straße benannt, die direkt zum Wat Phnom führt. Durch die Jahrhunderte wurde der Tempel mehrfach komplett erneuert, beziehungsweise renoviert. Letztmalig 1926. In diesem Zuge wurden mehrere Gebäude hinzugefügt. Das ursprünglich errichtete Gebäude aus dem 14. Jahrhundert existierte leider nicht mehr. Der Stupa ist der Mittelpunkt der Feiern zum Neujahrsfest. In ihm liegt die Asche von König Ponhea Yat. Der Hügel ist umgeben von einer Grünanlage und einem riesigen Kreisverkehr.
Als wir ankamen, stieg ich aus dem Tuk Tuk und ging durch die Grünanlagen in Richtung des Tempels. Natürlich gab es auch hier die „One Dollar Kinder“. Der Weg führte nicht allzu steil, aber bei der Mittagssonne dennoch anstrengend, hinauf zum Wat (Tempel). Oben am Plateau angekommen ging ich zum Tempel, zog meine Schuhe aus und betrat diesen heiligen Ort. Im Tempel betete eine Mutter mit ihrer Tochter alleine vor Buddha. Der Tempel war sehr sauber und farbenfroh. Die blinkenden und farbigen Lichter wirken auf uns meist kitschig, jedoch passten diese gut in das Gesamtbild. Es waren wenige Menschen anwesend, so dass ich mir alles in Ruhe anschauen konnte, ohne zu stören. Im Hintergrund wurde buddhistische Musik von fünf Kambodschanern gespielt.
Einige brachten Opfergaben, andere zündeten Räucherkerzen zu Ehren Buddhas an.Die Bemalung des Tempels war sehr beeindruckend anzusehen. Je länger man schaute desto mehr Feinheiten erkannte man. Das gleiche gilt für die Gemälde die alte Geschichten erzählten. Fasziniert von all den Eindrücken und begleitet von der buddhistischen Musik, vergaß ich alles um mich herum. Ein Ort der Ruhe inmitten der kambodschanischen Hauptstadt. Ich ließ mich tragen von der Stimmung und der Emotion die einen an diesem Ort umgibt. Nach einiger Zeit der Ruhe und Besinnung verließ ich den Tempel und ging wieder hinaus, zog meine Schuhe an und lief auf dem Plateau um den Tempel herum.
Dort traf ich auf ein Mädchen. Schätzungsweise 6-8 Jahre alt. Das Mädchen fragt auch wieder nach dem obligatorischen Dollar. Es stand vor mir in einem zerlöcherten, aber relativ sauberen Kleid. Auch ich habe kein Herz aus Eis, und wenn, dann ist es gerade dabei sehr schnell zu schmelzen. Ob durch die Hitze der Sonne, dem Besuch und der Ausstrahlung des Tempels oder nur weil sie mir Leid tat. Ich gab Ihr einen Dollar und fragte sie ob ich ein paar Fotos von ihr machen darf. Natürlich für einen weiteren Dollar. Ihr Englisch war recht gut, das mich ein wenig überraschte. Aber im Nachhinein denke ich mir, dass dies genau ihre Art ist, um Touristen wie mich weichzuklopfen. Respekt. Sie hat es geschafft. Ich machte zwei, drei Fotos und gab ihr den zweiten Dollar und fühlte mich irgendwie gut dabei. Eigentlich hatte ich mit geschworen gar nicht erst mit dieser Geld Verteilerei anzufangen. Aber das Mädchen war, Buddha sei Dank, alleine und ich hoffte, dass das Mädchen ihre kambodschanischen Freunde jetzt nicht noch irgendwie herbei zauberte, um meine gerade aus dem Automaten gezogenen Dollars zu erbetteln. Dies geschah, Buddha sei Dank auch nicht.
Das Mädchen strahlte über ihr schnell verdientes Geld und bedankte sich höflich. Ein paar Meter weiter stand eine ältere Frau und verkaufte Vögel. Nach buddhistischer Tradition entlässt man Vögel aus der Gefangenschaft in die Freiheit. Das soll Glück bringen, so die Verkäuferin. Zumindest der Verkäuferin wird es Glück bringen, dachte ich im Stillen. Aber was soll der Geiz. Ein paar Vögeln die Freiheit geschenkt, der älteren Frau ein paar Dollar gegeben und mir ein bisschen Glück erkauft. Was kann mir das schon schaden? Eine weitere Frau mittleren Alters verkaufte auch noch Räucherstäbchen. Gekauft und Buddha zu Ehren angezündet. Wenn ich doch gerade schon einmal hier bin, warum auch nicht. Vielleicht hilft mir Buddha noch auf meiner langen Reise, quer durch Kambodscha. Ein bisschen Hilfe kann ich bestimmt gebrauchen. Dies alles hatte circa eine Stunde, vielleicht etwas mehr gedauert.
Langsam ging ich den Weg vom Tempel hinab zurück zum Tuk Tuk. Auf dem Weg hinunter saß eine Frau. Ihr ausgetrocknetes Gesicht war durchzogen von tiefen Falten, es war alt und gegerbt von er Sonne. Sie nahm meinen Arm und band mir ein rotes Bändchen um mein Handgelenk. Das sollte mir auf meinen Reisen und Wegen Glück bringen. Sie fragte nicht nach Geld oder einer Gegenleistung. Sie band mir einfach das Bändchen um mein Handgelenk und wünschte mir viel Glück. Da mein innerstes zurzeit noch immer weich war wie Butter, durch dieses kleine Mädchen oben am Tempel, wanderten auch hier ein, zwei Dollar zu der alten Dame. Auch sie bedankte sich höflich. Meist redete die alte Frau nur Khmer und nur ein paar Brocken Englisch, trotzdem verstand ich intuitiv jedes Wort. Nachdem ich mich verabschiedet hatte, drehte ich mich um und ging wieder hinunter, durchquerte die Grünanlage und ging weiter zum wartenden Tuk Tuk. Von diesen Erfahrungen tief beeindruckt ließ ich mich von meinem Fahrer an den Mekong bringen, an ungefähr an die gleiche Stelle, an der ich gestern bereits zu Abend gegessen hatte.
Mittlerweile kam ich mehrfach ins Gespräch mit meinem Tuk Tuk Fahrer. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder. Zudem war er ein guter Freund von dem Besitzer meines Hotels und hatte als einziger Tuk Tuk Fahrer eine Werbetafel vom Walkabout Hotel an seinem Tuk Tuk. Sozusagen der Haus und Hof Tuk Tuk Fahrer meines Hotels. Natürlich hatte auch er genug zu erzählen vom Pol Pot Regime. Von Folter und Entbehrung, von Hunger und Tod, vom Schmerz, der fehlenden Freunde und Verwandten, die unter der Herrschaft des Pol Pot Regimes der roten Khmer ermordet worden sind. Er arbeitete jetzt bereits seit Jahren als Tuk Tuk Fahrer und verdiente so das Einkommen für seine Familie. Der seit Jahren stetig zunehmende Tourismus in Phnom Penh, bescherte ihm ein Auskommen, das ausreichend war, um das Schulgeld für seine Kinder zu bezahlen, was in Kambodscha nicht selbstverständlich ist. Am Mekong angekommen stieg ich aus und wir redeten noch ein bisschen. Er selbst ging als Kind auf die Schule einer englischsprachigen Hilfsorganisation, wodurch er ein überdurchschnittlich gutes Englisch sprach. Das machte die Kommunikation mit ihm sehr einfach und vielseitig.
Er gab mir noch einige Tipps von Orten die ich mir unbedingt anschauen sollte. Ich versprach ihm, dass ich versuchen werde, seine Empfehlungen zu beherzigen und entsprechend in meine weitere Planung für Phnom Penh einzubauen. Dies fiel mir nicht weiter schwer, da ich Phnom Penh auf meiner Reise mehr als einmal besuchen werde. Er gab mir seine Visitenkarte mit seiner Handynummer, für den Fall das ich seine Dienste nochmals benötigen sollte. Für mich wusste ich bereits, dass ich die Dienste dieses Fahrers noch häufiger in Anspruch nehmen werde. Seine Offenheit und vor allen seine sehr guten Englischkenntnisse, waren für mich sehr angenehm. Im Grunde war er mir bereits vom ersten Augenblick an sympathisch. Wir konnten gut miteinander reden und er war zuverlässig. Für den Augenblick empfahl er mir eine Fahrt, mit einem Boot, auf dem Mekong. Diese Fahrt dauerte im Schnitt zwischen sechzig und neunzig Minuten. Da ich nichts Besseres vorhatte, willigte ich ein und er ging mit mir an das Ufer des Mekong, an dem mehrere Boote lagen. Nach kurzer Unterhaltung die mein Fahrer mit einer Frau führte, die ich selbst so um die 50 Jahre alt schätzte, ging ich an Bord eines Schiffes. Die Fahrt sollte 20 Dollar kosten und zu meiner Überraschung war diese Frau gleichzeitig mein Kapitän. Das Schiff war relativ groß. Ich schätze das dort zweifellos Platz war für mindestens dreißig Leute. Wir legten ab und fuhren auf der Lebensader Asiens dem Mekong.
Ich war schon ganz gespannt darauf, mir diese Stadt, aus dieser neuen Perspektive heraus anzusehen…
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